Judith Saitz in Siret

Einsatz für Binnenflüchtlinge: Wie Spenden aus Thüringen in die Ukraine kommen (MDR)

Die Aktion "Mission Siret" der westfälischen Genossenschaft erfreut sich inzwischen breiter Unterstützung im gesamten Orden. Neben Sach- und Geldspenden werden auch Freiwillige gebraucht, die die Hilfsgüter vor Ort verteilen. Judith Saitz ist von einem solchen Freiwilligeneinsatz in der rumänisch-ukrainischen Grenzregion zurückgekehrt und berichtet.

Die Hilfsgüter aus Thüringen müssen rund 1.400 Kilometer zurücklegen, bis sie an ihrem Zielort in der Ukraine ankommen. Bild: privat
Die Hilfsgüter aus Thüringen müssen rund 1.400 Kilometer zurücklegen, bis sie an ihrem Zielort in der Ukraine ankommen. Bild: privat

Die Tischchen und Stühle sind schnell aus dem Transporter geräumt, die Säcke mit den bunten Plastikkugeln für ein Bällebad ebenso, an manchen Kinderbetten kleben noch Namensschilder, "Phillip" zum Beispiel. Noch vor Kurzem gehörte das alles zur Ausstattung des Kindergartens "St. Joseph" in Bernterode. Jetzt freuen sich Mädchen und Jungen in der 1.400 km entfernten Westukraine darüber. Sie sind mit ihren Müttern aus Kriegsgebieten im Osten des Landes geflüchtet und leben nun als sogenannte Binnenflüchtlinge in der Region Czernowitz.

Diese Sachspende aus Thüringen ist nur ein kleiner Teil dessen, was bei der "Mission Siret" des Johanniterordens in der vergangenen Woche durch unsere Hände gegangen ist. Mit zehn anderen - vor allem jugendlichen - Freiwilligen habe ich eine Woche lang für die Hilfsaktion gearbeitet, und noch nie zuvor waren Urlaubstage gleichermaßen so anstrengend und erfüllend gewesen.

Mit den beladenen Transportern geht es zur ukrainisch-rumänischen Grenze. Bild: privat
Mit den beladenen Transportern geht es zur ukrainisch-rumänischen Grenze. Bild: privat

Sattelschlepper bringen Spenden nach Rumänien

Unsere Basis ist im rumänischen Siret, wo ein deutscher Landwirt der Hilfsaktion eine große Lagerhalle zur Verfügung gestellt hat. Dort stehen die Sachspenden, die regelmäßig mit Sattelschleppern aus Deutschland geliefert werden ebenso, wie die Lebensmittel, die wir mithilfe von Spendengeldern im Großmarkt vor Ort kaufen. Die Lagerhalle ist kalt in diesen Märztagen, eisig kalt, wie ich finde, da helfen auch Skiunterwäsche und "Zwiebellook" nicht wirklich. Aber es ist genug zu tun und irgendwann spüre ich beim Hin und Her zwischen Paletten und Kartons auch meine kalten Füße nicht mehr.

Wir packen für die Fahrt am kommenden Tag, die wie immer zu verschiedenen Stationen in der Ukraine gehen wird; Krankenhäuser, Waisenheime, Unterkünfte für Frauen und Kinder aus besetzten Gebieten und Sachspenden für Sammelstationen zum Weitertransport an die Front. Schnell habe ich verstanden, mit welcher Logik gepackt werden muss: Konserven und Mineralwasser ganz unten in der Mitte Nudeln und Kekse, oben drauf Toilettenpapier und Zahnbürsten.

Listen helfen uns bei der Zusammenstellung der Produkte für die einzelnen Zielorte und spätestens dabei wird mir klar, dass meine Arbeit hier in der Lagerhalle auch tatsächlich mit dem Krieg zu tun hat, denn auf die Paletten für die Frontregion kommen auch Eiweißnahrung, Energydrinks und Erwachsenenwindeln.


Lange Staus am Grenzübergang

Mit voll beladenen Transportern geht es Richtung Grenzübergang vorbei an bis zu 40 Kilometer langen Lkw-Schlangen, die die Fahrbahn blockieren, manche Lastwagen stehen hier bis zu zwei Wochen. Auch das ist eine Auswirkung des Kriegs, denn seitdem die Ukraine keine Waren mehr über die Schwarzmeerhäfen handeln kann, muss alles über die Straßen gehen. Ich bin zunächst irritiert, als ich unseren Konvoi an den Lastern vorbei über die Gegenfahrbahn leiten muss. Aber hier trifft Theorie auf Praxis und ich merke schnell, wie geübt die anderen Autofahrer mit dieser Situation umgehen und rolle einfach mit.

Die Straßen erlauben nur vereinzelt einen Blick in die Umgebung. Riesige Schlaglöcher machen die Fahrt eher zu einer Rallye. Mit einigen Tricks bekomme ich mein Auto wieder frei, das sich in einem Schlagloch festgefahren hat. Wenn ich jedoch aus dem Fenster schauen kann, dann ist auch hier in der Westukraine der Krieg allgegenwärtig. Mitten im Zentrum von Czernowitz stehen große Zelte für Geflüchtete, Soldaten prägen das Stadtbild und an den Ausfallstraßen erinnern Plakatwände an junge Männer, die im Kampf gefallen sind.

Die Spenden werden in der Ukraine mit großer Dankbarkeit entgegengenommen. Bild: privat
Die Spenden werden in der Ukraine mit großer Dankbarkeit entgegengenommen. Bild: privat

Spenden stoßen auf große Dankbarkeit

Später stehe ich in einer Gemeindeverwaltung vor einen Aushang mit Informationen zur Einberufung für den Militärdienst. Für andere Teammitglieder wird der Krieg noch konkreter, als sie Hilfsgüter in ein Krankenhaus liefern und dort auf schwer verwundete Soldaten treffen, die im gleichen jugendlichen Alter sind wie sie selbst. Über die leeren Gesichter der jungen Männer in den Betten werden wir am Abend noch lange reden.

Überall, wo wir unsere Spenden hin liefern, erleben wir große Dankbarkeit. Wir sehen, dass die Unterstützung dringend gebraucht wird und erfahren, dass ein Jahr nach Kriegsausbruch viele Hilfsaktionen inzwischen beendet wurden. Die "Mission Siret" des Johanniterordens beweist langen Atem. Seit März vorigen Jahres haben rund 250 Freiwillige insgesamt 100.000 Kilometer zurückgelegt, um in der Ukraine-Hilfe vor Ort zu leisten. Das alles wurde möglich durch großzügige Sachspenden und rund eine Million Euro Spendengelder.


Den Bericht finden Sie auch im Internet auf den Seiten des MDR

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